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Micatone – Blues Cracker Micatone – Blues Cracker
Aktuelles Album: Micatone – The Crack (Sonar Kollektiv/!K7/Indigo) „Micatone ist eine Berliner Nu Jazz-Band“ heißt es kurz und bündig von Wikipedia-Seite zu Micatone, seit... Micatone – Blues Cracker

Aktuelles Album: Micatone – The Crack (Sonar Kollektiv/!K7/Indigo)

Micatone ist eine Berliner Nu Jazz-Band“ heißt es kurz und bündig von Wikipedia-Seite zu Micatone, seit fast 20 Jahren eine feste Größe unter den nachwievor zu wenigen deutschen Band-Projekten aus dem Wendekreis des Black Music-Kosmos mit Soul, Funk, Jazz, Pop und immer wieder elektronischer Zeichnung – mit Seele eben (der SOUL TRAIN berichtete immer wieder über Micatone).

Photo © Dovile Sermokas

Frontfrau Lisa Bassenge, seit Jahren auch auf Solo-Pfaden bzw. als Mastermind ihres eigenen Jazz-Trios unterwegs, ist dabei der wahrgewordene Traum all jener, die traumhaft schönen, vielschichtigen, ausdrucksstarken Frauenstimmen mit dem Zünglein an der Waage der menschlichen Sensibilisierung hinterherhecheln und zeigt Tiefe und Verletzlichkeit ebenso wie strahlende Wärme, erdige Nachvollziehbarkeit, authentische Lebenserfahrung und die gelebte Leidenschaft für den wahrhaftigen, stets eleganten Musikmoment.

Boris Meinhold, Gitarrist und Keyboarder und, ebenfalls bei gleichzeitiger Pflege diverser Seitenprojekte, zweite Säule des immens erfolgreichen, mit sehr gutem Ruf in der Öffentlichkeit bestückten Micatone-Projektes, schrieb gemeinsam mit Bassenge den textlichen Grip in die Songs ihres neuen, fünften Albums „The Crack“, einmal mehr beim Berliner Sonar Kollektiv-Label erschienen, selbstverständlich auf edlem Vinyl erhältlich und mit Soul und Pop ebenso verwachsen wie mit alteingesessenem, unbedingt harmonischem und melodischem Jazz und der mattglänzenden Erdung von handverlesenen, sogar überdeutlichen Blues-Idealen mit Durchzugsstärke und Intensität – alles freilich exzellent und akkurat, aber zu keinem Zeitpunkt steril gepaart und platziert mit der leuchtenden Stimme Lisa Bassenges, der man ihre Affinität zu fast jeder Art schlichtweg gut gemachter Musik in und mit jedem ihrer entschleunigten, ja fast besinnlichen Worte des neuen Albums deutlich anhört.

Nachdem der SOUL TRAIN erst im letzten Monat Micatones erstes Video zur ersten Single von „The Crack“, dem Album-Opener „Shell Song“, präsentierte (READ MORE), ist es nun an der Zeit, sich in einem exklusiven Interview dem verheißungsvollen, merklich ruhigen, selbstbewussten, stets einen Spannungsbogen haltenden, nach fünf langen Jahren neuen Longplayer „The Crack“ mit all seiner schlichten musikalischen Schönheit und, trotz cool klickenden Grooves wie beispielsweise jene von „Silent War“, letztlich seiner bewussten Langsamkeit zu widmen. MicatoneLisa Bassenge und Boris Meinhold – bitte sehr!

Photo © Dovile Sermokas

Michael Arens: „Erzählt mir von der Entstehung eures neuen Albums „The Crack“, das sehr behutsam vorgeht und glücklicher Weise ganz euren musikalischen Traditionen folgt, obwohl hier der Blues und der schiere Pop immer größer und der Anteil elektronisch getriebener Vibes weniger geworden ist… ein sehr schönes, fast reduziertes Album…“

Michael Arens: „Erzählt mir von der Entstehung eures neuen Albums „The Crack“, das sehr behutsam vorgeht und glücklicher Weise ganz euren musikalischen Traditionen folgt, obwohl hier der Blues und der schiere Pop immer größer und der Anteil elektronisch getriebener Vibes weniger geworden ist… ein sehr schönes, fast reduziertes Album…“

Boris Meinhold: „Vielen lieben Dank. Wir hatten uns vor dem Gang ins Studio noch gar nichts zurechtgelegt und so waren wir oft selber überrascht und erfreut, welche Wendungen die Songs genommen haben. Da wir eher mit einer DIY-Mentalität von Zuhause aus arbeiten, gab es auch keinen Druck, dass in ein paar Tagen Studio alles im Kasten sein musste. Wir konnten viel ausprobieren, nachdenken, erneut ausprobieren und den Entstehungsprozess genießen.“

Lisa Bassenge: „Dadurch, dass Boris und ich zu zweit komponiert haben, waren wir um einiges effektiver denn als größere Band, wo jede Entscheidung erst einmal basisdemokratisch durchdiskutiert wird. Für mich war es eine extrem angenehme Erfahrung des musikalischen Austausches. Sozusagen ein Bälle hin- und herwerfen.“

Boris: „Wie gesagt, Planung gab es keine größere. Wir hatten ein paar Songs für eine EP zusammen, die wir rausbringen wollten, „Shell Song“, „What If The Fire Was Fake“ und „All Gone“. Jürgen und Oli vom Sonar Kollektiv sagten: „Das ist ja sehr schön, aber macht dann doch bitte gleich ein ganzes Album…“ Es ging dann alles sehr leicht und für Micatone-Verhältnisse schnell voran. Gesang und die meisten Instrumente nahmen wir zu zweit in meinem kleinem Studio auf. Für die Drums hatten wir die Möglichkeit, mit unserem Schlagzeuger Jan Burkamp im ehemaligen Preussen Studio (das „Die Ärzte“-Studio) bei Lutz Fahrenkrog-Petersen aufzunehmen. Dann waren wir noch für zwei Songs bei Axel Reinemer im wunderschönen Jazzanova Recording Studio… Ach ja, und für „Shell Song“ waren wir für ein paar Sachen im Studio unserer Bekannten von Tele/Die höchste Eisenbahn (der SOUL TRAIN berichtete, Anm. d. Verf.). Außer Jan am Schlagzeug war wie immer Sebastian Demmin an den Keyboards dabei und unser neuer Bassist Andreas Lang. Oli Benn, der auch schon live mit uns unterwegs war, spielt den Flügel bei „Shell Song“. Und die Stimme von Henry Reyles im Chor von „All Gone“ war sehr wichtig für die Farbe des Songs…“

Michael: „Und wie war das mit dem Stil, eurer musikalischen Identifikation? Ist es schwierig, so etwas aufrecht zu erhalten oder sogar weiter zu entwickeln?“

Aktuelles Album: Micatone – The Crack (Sonar Kollektiv/!K7/Indigo)

Boris: „Nach unserer letzten Platte, auf der wir uns sehr stark mit 60er Jahre Soul- und Pop-Musik auseinander gesetzt hatten und die sehr retro war, ging es uns jetzt darum, einen eigenen neuen Weg für den Sound von Micatone zu finden, ohne unsere alten Platten zu verleugnen, oder uns komplett neu zu erfinden.“

Lisa: „Jedes mal kommt diese Frage: Was für Musik ist das eigentlich? Ich finde es unheimlich schwer, das zu beantworten und nehme mir bei jeder Produktion vor, mir für die Interviews eine Antwort zurechtzulegen, vergesse es aber dann wieder. Warum? Wahrscheinlich ist es mir einfach nicht so wichtig. Ich liebe Soul, ich liebe Jazz und ich liebe auch Singer/Songwriter. Ich hoffe einfach sehr, dass wir auch etwas eigenes haben, etwas das uns ausmacht. Aber das muss der Hörer entscheiden.“

Michael: „Ich muss leider noch einmal weiter bohren: Nicht nur euer Stil ist durch eine eigene Handschrift geprägt, auch euer konzeptionelles Denken, der nachvollziehbare Aufbau der Songs, die Reihenfolge, sprich: die Seele eurer Alben, auch die von „The Crack“, ist stets akkurat mit Leben gefüllt und ergibt Song- und sogar Albumübergreifend Sinn. Liege ich falsch?“

Boris: „Ich denke, gerade heutzutage, wo es eigentlich nur noch um einzelne Songs geht, macht das Konzept des Albums nur Sinn, wenn es nicht nur eine lose Zusammenstellung von Songs beinhaltet. Wir haben uns bei „The Crack“ auf das Vinyl-Format konzentriert und die Songs bewusst auf A- oder B-Seite sortiert. Je nach Stimmung kann man sich zwischen der ruhigeren, jazzigeren A-Seite oder der etwas mehr nach vorne gehenden B-Seite entscheiden. Und dann gibt es auf dem Vinyl auch noch eine kleine Melodie in einer Endlosrille, die kann man nicht streamen…“

Michael: „Wie steht es mit dem inhaltlichen Aspekt von „The Crack“?“

Lisa: „Textlich geht es auf dem Album viel um Trennung und wie man damit umgeht, wenn man dem Phänomen „ghosting“ ausgesetzt ist. Ein langjähriger Freund hat mir vor der Aufnahme des Albums die Freundschaft und Zusammenarbeit gekündigt und ist auch nie wieder bereit gewesen, mit mir zu sprechen, so habe ich die Texte auf „The Crack“ auch als Verarbeitung dieses Verlustes geschrieben.“

Boris: „Ein Album ist immer eine musikalische Momentaufnahme deines Lebens zum Zeitpunkt der Aufnahmen. Ganz ähnlich ist es doch für den Hörer. Wenn du es im richtigen Moment hörst, und Musik und der Moment in deinem Leben zusammenpassen, wird es ein besonderes Album für dich sein.“

Michael: „Ihr seid ja bekannt für eure zahlreichen Solo-Projekte, die euch als Musiker, als Künstler ja quasi mitdefinieren. Wie bekommt ihr das und Micatone unter einen Hut?“

Photo © Dovile Sermokas

Lisa: Das ist gar nicht schwer, alles hat seine Zeit und jetzt war halt mal wieder ein Micatone-Album an der Reihe.“

Michael: „Trotz aller stilistischen Harmonie ist ein wichtiger, mindestens gefühlter Anteil eurer Musik und auch der Musik von „The Crack“ der des Jazz. Was würdet ihr der so genannten „Jazz-Polizei“, also den ganz elitären Jazz-Puristen sagen, wenn diese das Fehlen von jener vermeintlich wichtigen, frei improvisierten Bebop/Free Jazz-Geschichte bemängeln würden?“

Lisa: „Was ich denen sagen würde? Ich glaube erstmal gar nichts. Das gute ist ja, dass es in echt gar keine Jazz Polizei gibt. Und warum sollen wir dann unsere Musik den Bewertungskriterien von irgendwelchen „Jazz-Puristen“ unterwerfen? Letztendlich kocht doch jeder sein eigenes Süppchen. Dann sollen die halt nicht ins Konzert kommen!“

Michael: „Ein Wort zur momentan prekären Lage unseres Planeten – politisch, sozial, kulturell! Wie geht ihr mit all den täglichen Hiobsbotschaften um die Themen Flüchtlinge, Klimawandel, Terror, Trump und Co. um?“

Lisa: „Der Song „Barbed Wire“ setzt sich mit dem Schicksal Geflüchteter auseinander. Nachdem ich ein paar mal beim Lageso (LAGeSo ist die allgemeingebräuchliche Abkürzung für das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin, Anm. d. Verf.) war, um Kleidung zu spenden und durch meine Mutter und Schwester, die jeweils kurzzeitig Geflüchtete bei sich aufnahmen, bin ich mit dem Thema in Kontakt gekommen und habe versucht, mich in die Lage dieser jungen Menschen hineinzuversetzen. Leute wie Du und ich, die in ihrer Heimat Berufe, Familie und Hobbys hatten und plötzlich nur noch ums nackte Überleben kämpfen müssen. Wie würde es uns in einer ähnlichen Situation gehen?“

Photo © Dovile Sermokas

Michael: „Würdest Du was ändern, wenn Du könntest – vielleicht tust Du das ja schon?!“

Lisa: „Es ist schwierig – was würde ich ändern? Ich würde vielleicht den Empathielevel aller Menschen steigern. So dass jeder auf dieser Welt auch an die anderen denkt und sich über die Konsequenzen seines Handelns bewusst wird. Man stelle sich vor, egomanische Narzissten wie Trump oder Putin mit dieser Charaktereigenschaft zu versehen, dann wäre die Welt vielleicht wirklich um einiges besser.“

Michael: „Wie geht es weiter mit Micatone, aber auch mit euren anderen Projekten?“

Lisa: „Ich gehe ins Studio und werde mir meinen lang gehegten Wunsch erfüllen, ein Album mit Country-Songs aufzunehmen. Natürlich nicht Eins-zu-eins…“

© Michael Arens

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